Migration
Politik
Wie sich die Arbeiterklasse auf Wundersame Weise in Ausländer verwandelt hat

"Der Schweizer Kapitalismus brauchte billige Arbeiter:innen, aber die Schweiz wollte die Menschen nicht"

- Antonin Rohdich

Samirs neuer Film auf eindrückliche Weise die Geschichte der Arbeitsmigration und ihrer sozialen Folgen.

Arbeitsmigration als Schweizer Modell

Neben animierten Szenen aus Samirs eigener Migrationsgeschichte erzählt sein Film eindrücklich davon, wie die Schweiz unter anderem den Marshall-Plan, den Anti-Kommunismus der italienischen Regierung und den spanischen Faschismus dazu nutzte, um ihr eigenes Nachkriegswunder zu schaffen – auf dem Rücken von entrechteten migrantischen Arbeiter:innen. Er erzählt dabei bekannten und vergessenen Grauen: So die Mattmark-Katastrophe bei der 88 Arbeiter:innen bei einem vorsehbaren Gletschersturz ums Leben kam – und die Verantwortlichen nicht nur freigesprochen wurden, sondern die Opfer sogar 50 Prozent der Prozesskosten tragen mussten.

"Überfremdungs"phantasien

Gleichzeitig wird gezeigt, wie der Begriff "Überfremdung" nach seinem Ursprung in der faschistischen Frontenbewegung in den Nachkriegsjahren in alle Schweizer Institutionen hineinwirkt – auch in die Sozialdemokratie. Er wird benutzt als Legitimation für Alltagsmisshandlung und Ausbeutung. Und der Repressionsapparat, der zeitgleich die Schweizer Bevölkerung ausspioniert, nutzt politische Aktivität als Grund, Migrant:innen auszuweisen oder ihnen die Einbürgerung zu verweigern – wie es Samir auch selbst erlebt hat.

Die Schweizer Linke in der Verantwortung

Als der Faschist Schwarzenbach seine Initiative präsentiert, zeigt sich, wie rassistische Muster bis in die Gewerkschaften hineingewachsen sind: eine Vielzahl von Mitgliedern unterstützt die Initiative. Das hatte auch damit zu tun, das die Gewerkschaften sich zu diesem Zeitpunkt für die Gastarbeiter:innen nicht verantwortlich fühlten - ein Fehler, der sie für lange Zeit schwächen soll. Samir setzt Hoffnung in die jüngeren Generationen, diese Fehler nicht zu wiederholen – und bietet dabei selbst ein historisches Archiv der Hoffnung: In seinem Film sind die Erfolge der Selbstorganisation (zum Beispiel der colonia libera) zu sehen – und eine Kultur. So würdigt Samir zum Beispiel die Musik der italienischen Gastarbeiterbewegung, aber auch seine Vorgänger: Filmemacher, die Filme für die Arbeiter:innen produzierten – und zeigt so: Solidarität wirkt nicht nur, sie ist auch schön.

Kinoprogramm: Die wundersame Verwandlung der Arbeiterklasse in Ausländer - Cineman