Der Bedarf an Pflege und Betreuung steigt. Gleichzeitig verlassen mehrere hundert Pflegende monatlich ihren Beruf. Schuld daran ist eine Reihe politischer Entscheidungen, um die durch die demografische Entwicklung entstehenden Kosten zu dämpfen. Es bedarf einer solidarischen Mobilisierung.
Gemäss dem Bundesamt für Statistik wird bis ins Jahr 2040 die Anzahl über 65-Jähriger um 52% steigen und die Zahl über 80-Jähriger wird sich fast verdoppeln (+88%). Dies führt zu einer Zunahme des Bedarfs an Alters- und Langzeitpflege um 56%. Und eine unveränderte Versorgungspolitik würde etwa 60% mehr Heimen benötigen. Diese Lücke lässt sich nur schwer mit Zugewanderten füllen. Einerseits aufgrund des restriktiven Einwanderungsregimes der Schweiz, andererseits aufgrund des ebenfalls zunehmenden Care-Bedarfs anderswo. In Europa bereits jetzt versuchen die umliegenden Länder «ihre» Pflegenden mit gezielten Massnahmen zu halten. Ist eine Versorgung durch professionelle Pflege und Betreuung nicht möglich, werden die Angehörigen die Lücke schliessen müssen. Dies verschärft den Arbeitskräftemangel und führt für die Betroffenen zu wirtschaftlichen Einbussen, mehr sozialer Ungleichheit und mehr Geschlechterungleichheit.
Es müssen Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die das Personal in der Branche halten und die Nachfrage nach Pflegeleistungen reduzieren. Dafür müssen zusätzliche Angebote wie betreute Wohnformen, ambulante Betreuung und Alltagsunterstützung geschaffen und finanziert werden. Dies führt zu einem Kostenwachstum und einer Änderung der Finanzierung. Es kann nicht Aufgabe der Versicherten sein, diese aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Anteil der öffentlichen Erstattung von Pflegeleistungen muss schnell und umfassend ausgebaut werden.
Für Enrico Borelli und Samuel Burri, Unia-Branchenverantwortliche Langzeitpflege, ist es dringend notwendig, die Gewerkschaften stärker in den Betrieben zu verankern und Pflegende zu befähigen, sich zu organisieren, um ihre Interessen auf der Strasse und an ihren Arbeitsplätzen zu vertreten. Wir brauchen eine starke Bewegung, die parallel von den fortschrittlichen Kräften der Zivilgesellschaft getragen wird. Nur vereint können wir die politische Debatte beeinflussen. Das sind wir unserer Gesellschaft schuldig, sowohl den älteren Menschen als auch den nachkommenden Generationen.