Der 18. Dezember ist der Internationale Tag der Migrant:innen. Im Jahr 1990 wurde an diesem Tag die «Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen» verabschiedet. Eine Würdigung, die jedoch bisher von keiner westlichen Industrie- und Einwanderungsnation anerkannt wurde – auch von der Schweiz nicht. Wir sprechen mit Marie Saulnier-Bloch, Unia Koordinatorin für Internationales.
Migration gehört zur Geschichte der Arbeitswelt. Dieser Tag erinnert daran, dass gewerkschaftliche Rechte für alle gelten – unabhängig von der Farbe ihres Passes oder ihrer Papiere.
Durch Gesamtarbeitsverträge, die bessere Löhne und Arbeitsbedingungen sichern, durch Lohnkontrollen, Rechtsberatung, Kampagnen wie jene gegen die SVP-Initiative und durch die Unterstützung von Betroffenen bei Missbräuchen. Die Mehrheit der Mitglieder besitzt keinen Schweizer Pass. Die individuelle und kollektive Verteidigung der Rechte aller Arbeiter:innen gehört zum Kern ihres Auftrags.
Beides folgt derselben Logik: Rechte verweigern, um Menschen besser kontrollieren und unterwerfen zu können – und um eine ungleiche Gesellschaft zu festigen. Ohne garantierte Grundrechte gedeihen fremdenfeindliche Kampagnen. Die Ratifizierung würde einen grundlegenden Schutz vor Ausbeutung sichern. Reiche Staaten müssen aufhören, von einer prekarisierten Arbeitskraft zu profitieren, die sie gleichzeitig nicht anerkennen. Die Schweiz sollte hier vorangehen.
Die Gefahr liegt nicht in der Zahl, sondern im politischen Missbrauch dieser Zahl. Die «10-Millionen»-Rhetorik dient dazu, Migrant:innen zu kriminalisieren und ihre Rechte zu schwächen. Wenn die Initiative angenommen wird, legitimiert sie nicht nur neofaschistische Diskurse, sondern schafft auch das gesamte Lohnkontrollsystem ab. Dieses System basiert auf den Bilateralen; fallen diese, verschwinden auch die Kontrollen gegen Lohndumping – ein massiver Rückschritt für alle Beschäftigten. Die SVP verschweigt dies ihren eigenen Wähler:innen. Viele würden sich damit selbst schaden. Es gäbe nicht weniger Arbeitskräfte, sondern gleich viele – einfach ohne Rechte.
Das Lohndumping würde zunehmen. Heute werden jährlich 50 Millionen Franken an Arbeiter:innen zurückerstattet, weil wir bei Kontrollen Missbräuche aufdecken. Genau das will die SVP abschaffen, indem sie rassistische und fremdenfeindliche Stimmungen schürt. Je prekärer und abhängiger Menschen sind, desto weniger können sie ihre Löhne verteidigen. Profitieren würden einzig ausbeuterische Arbeitgeber – und Rassisten, die sich bestätigt fühlen. Jede Person mit Migrationsgeschichte weiss: Früher waren wir diejenigen, die man zurückwies und ausbeutete. Die Schweiz braucht Arbeitskräfte – und jede Arbeitskraft braucht ein Leben in Würde und eine Zukunft für ihre Kinder, Punkt.
Die Angst vor «Überfremdung» wird von jenen instrumentalisiert, die keine Lösungen reale Sorgen der Bevölkerung anbieten, sondern kurzfristig ihre Privilegien und Profite sichern wollen. Migration ist keine Bedrohung – bedrohend sind ausbeuterische Praktiken und politische Strategien. Die Schweiz funktioniert dank der Arbeit vieler Menschen ohne Schweizer Pass; das ist eine Realität. Entscheidend sind die Arbeits- und Lebensbedingungen heute und morgen sowie eine Politik, die die Würde aller schützt und ein anständiges Leben ermöglicht. Die Menschen fürchten steigende Rechnungen, eine unsichere Zukunft, den Verlust sozialer Errungenschaften – darauf braucht es mutige Investitions- und Planungspolitik sowie eine faire Umverteilung des Reichtums, nicht eine Gesellschaft, die kaum über die Runden kommt, während Milliardäre die Gewinne abschöpfen. Das ist die echte Angst, auf die wir antworten.
Indem man die wahren Ursachen benennt: Prekarität, Wohnungsnot, Lohndruck, Rentendruck. Das sind strukturelle Probleme, keine migrationsbedingten. Wer die Ursachen richtig benennt, entzieht Hetze den Boden. Das Kapital ist global – unsere Solidarität muss es ebenfalls sein. Internationalismus ist kein Schlagwort, sondern eine strategische und ethische Notwendigkeit.
Solidarität heisst zu erkennen, dass unsere gemeinsame Stärke keine Grenzen kennt. Arbeiterinnen und Arbeiter teilen dieselben Bedürfnisse: Würde, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit. Internationale Solidarität ist die Waffe der Unterdrückten gegen ein Kapital, das selbst keine Grenzen kennt.