In Bern finden die Gemeindewahlen am 24. November statt. Wir haben zwei Gewerkschafterinnen gefragt, was ihre Motivationen sind und was sie im Bereich Migration erreichen möchten.
Ursina Anderegg
Ich finde Stadtpolitik unglaublich spannend, weil sie sehr konkret und nahe bei den Menschen ist. Ich bin seit vielen Jahren in verschiedenen Zusammenhängen hier politisch aktiv und seit acht Jahren im Stadtparlament. Dadurch kenne ich die Stadtpolitik sehr gut und bringe viel Führungserfahrung mit. Ich habe grosse Lust, nun in der Regierung Verantwortung zu übernehmen und unsere solidarische, feministische und grüne Politik in dieser Rolle voranzutreiben.
Was sind deine Ziele? Wir stehen global wie lokal vor grossen Herausforderungen: Die Klimakrise spitzt sich zu, die Armut wächst und betreffend Chancengerechtigkeit gibt es noch viel zu tun. Mein Ziel ist es, dass die Stadt schneller vorwärts macht mit den Klimaschutzmassnahmen, die steigenden Mieten stoppt, einen städtischen Mindestlohn einführt, die Kinderbetreuung für alle Familien bezahlbar macht und in allen Quartieren genügend Begegnungsorte für ein solidarisches Zusammenleben schafft.
Was würdest du im Bereich Migration erreichen? Mir ist es wichtig, dass anerkannt wird, dass wir in der Stadt Bern – wie auch schweizweit – ein grosses Demokratiedefizit haben: Ein Viertel der Bevölkerung darf nicht mitbestimmen, wofür ihre Steuergelder gebraucht werden. Umso mehr muss die Stadt die Mitbestimmung für alle Einwohner*innen ausbauen und Diskriminierungen weiterhin bekämpfen. Es braucht zum Beispiel ein Einwohner*innen-Stimmrecht, die Einführung einer City Card zum Schutz von Sans Papiers, Bestrebungen für die Anerkennung von „ausländischen“ Diplomen auf dem Arbeitsmarkt und weiterhin ein gemeinsames Engagement gegen rassistische Übergriffe. Und ich will, dass sich die Stadt gemeinsam mit anderen Städten zusammen in die diskriminierende Kantons- und Bundespolitik einmischt – zum Beispiel für eine menschenwürdige Asylpolitik.
Ursina Anderegg ist Historikerin und Gleichstellungsexpertin - heute arbeite sie als stellvertretende Leiterin der Fachstelle für Chancengleichheit der Universität Bern. Sie ist Co-Präsidentin des Grünen Bündnis. Sie ist auch Unia-Mitglied.
Helin Genis
Mit meinem starken Gerechtigkeitssinn habe ich mich bereits früh für Menschen eingesetzt, die ungerecht behandelt, diskriminiert oder nicht gehört wurden. Zudem bin ich mit einer sehr politischen Mutter aufgewachsen. Bereits als Baby gingen wir gemeinsam an Demos. Politik war für uns Alltag. Durch die frühe Politisierung wurde mir bewusst, wie stark Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft verankert sind. Ich setze mich dafür ein, dass Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Sprache, Sexualität oder Klasse die gleichen Rechte und Chancen erhalten. Ich möchte diesen Kampf für Gerechtigkeit im Stadtrat voranbringen. Dabei will ich nicht nur von Veränderung sprechen, sondern aktiv mitgestalten. Als „Bärner Stadtchind“ ist der Stadtrat der nächste Schritt.
Was sind deine Ziele? Ich möchte für eine gerechte und faire Politik einstehen. Ich setze mich für Gleichstellung, Menschenrechte, Arbeitsrechte sowie soziale Gerechtigkeit ein. Als aktive Gewerkschafterin bei der Unia sind mir faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen ein wichtiges Anliegen. Kürzlich haben wir z.B. die städtische Mindestlohn-Initiative erfolgreich eingereicht. Im Bereich Gleichstellung gibt es ebenfalls viel zu tun: Frauen erhalten noch immer weniger Lohn, tragen den Grossteil unbezahlter Care-Arbeit und erleben Diskriminierung. Gleiche Löhne für gleiche Arbeit, existenzsichernde Renten, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Aufwertung von Care-Arbeit sind nur einige der Anliegen, die ich voranbringen möchte.
Was würdest du im Bereich Migration erreichen? In meinem Arbeitsalltag als Juristin bei der Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not und freiwillige Mitarbeiterin bei der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers sehe ich häufig, wie sehr Migrant:innen benachteiligt werden. Noch immer gibt es in Bern zu viele Hürden für Menschen, die hier leben, aber rechtlich und gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Ich setze mich für ein Bern ein, in dem alle Menschen die gleichen Rechte, Chancen und Mitbestimmung haben – unabhängig von ihrem rechtlichen Aufenthaltsstatus. Konkret bedeutet das z.B.: leichterer Zugang zu Bildung, umfassender Schutz vor Diskriminierung, Zugang zu Kitaplätzen und bezahlbarem Wohnraum. Ich kämpfe gegen Rassismus und Diskriminierung in all ihren Formen und für eine inklusive Gesellschaft, in der alle sicher und menschenwürdig leben können.
Helin Genis ist Juristen, Vorstandsmitglied bei der SP Bern Holligen und bei den SP Migrantinnen Kanton Bern. Sie ist auch aktive Unia-Mitglied.